Eurobike 2023 – Japanische Ecke

Adam Bell unterstützte den Stand der MKS-Pedal aus Japan und berichtet von der „Japanischen Ecke“ der diesjährigen Euro Bike

Die Eurobike auf dem Messegelände Frankfurt ist riesig!
Fünf Hallen, jeweils auf zwei bis drei Stockwerken belegt, dazu noch noch die großen Außenreiche mit Teststrecken.
Enorme Laufwege, um von einer Halle zur anderen zu gelangen und dann dort den einen Stand zu finden, der vielleicht von Interesse ist …
Eine Unmenge an mir gesichtslos und austauschbar erscheinender Aussteller aus China und Taiwan. Egal ob Komponenten, Bekleidung oder Zubehör – jede Produktgruppe wird mindestens von zwölf verschiedenen Anbietern vertreten, hatte ich den Eindruck. Fahrräder habe ich gar nicht erst bewusst angeschaut, das ist auch irgendwie alles das gleiche und das moderne Zeug interessiert mich eh nicht wirklich. So richtig viel Zeit mich umzuschauen hatte ich ohnehin nicht, denn ich war recht beschäftigt am Stand von MKS und nebenan, bei Nitto. Daher erzähle ich lieber ein wenig von diesem Mikrokosmos, in den ich für drei Tage eintauchen durfte.

Die Fläche, auf der sich unsere kleinen Boxen befanden, wurde dieses Jahr von InterJet bereitgestellt.
InterJet ist eine japanische Handelsgesellschaft, die mehrere japanische Unternehmen aus der Fahrradbranche im Ausland vertritt, aber auch nach Japan importiert. Auf der Längsseite hatten – von rechts nach links – MKS, Nitto und Tange-Seiki je ein Abteil, um die Ecke war Ostrich Bags und dann noch einige Fahrrad-Rahmen, die von InterJet direkt vertrieben werden. Diese vier Unternehmen möchte ich im folgenden kurz vorstellen.

Allen vieren ist gemein, dass es sich um kleine bis mittelständische Traditionsunternehmen in Familienhand handelt, die – bis auf eine Ausnahme – auch jetzt noch in Japan qualitativ äußerst hochwertige und angesehene Produkte herstellen.
MKS (Mikashima) Pedal stellen, wie der Name schon sagt, Pedale her. Die Produktpalette ist groß, bis auf moderne Rennrad-Pedale ist für jede Spielart des Radfahrens mindestens ein passender Pedal-Typ im Sortiment. Am bekanntesten sind vielleicht die „Sylvan“-Modelle, die sich ganz toll als Ersatz für die alten Hakenpedale vom Vintage-Renner machen. MKS wird im nächsten Jahr sein 75 jähriges Jubiläum feiern.
Der „Chairman“ der Firma ist vor wenigen Wochen 102 Jahre alt geworden und kann noch aus den Anfangstagen des Unternehmens berichten! Er ist noch jeden Tag im Büro anzutreffen, er kommt nicht so früh wie alle anderen und geht auch etwas eher, aber er ist immer da. In wechselndem Turnus holt ihn ein(e) Angestellte(r) morgens Zuhause ab und bringt ihn später wieder heim.
Wo er wohnt? Natürlich bei seinem Sohn, dem derzeitigen Geschäftsführer von MKS, und seiner Frau. Direkt neben dem Haus von Kentaro Yubamoto, dem Managing Director, der die Tochter des Chefs geheiratet hat, und dessen Aufgabe unter anderem darin besteht, das Unternehmen nach aussen hin zu vertreten und nun auch am Stand auf der Eurobike steht. „Aber zwischen den Häusern ist eine Mauer!“ erzählt Yubamoto mit einem Grinsen im Gesicht.
Das Werk in der Region Saitama ist fast schön ländlich gelegen, etwa eine Stunde mit dem Zug von Tokyo entfernt. Um die 100 Mitarbeiter sind dort in der Produktion beschäftigt. Da die Firma in der Vergangenheit einige Zertifizierungen erlangen konnte, war eine Diversifizierung möglich und es werden nun neben den Pedalen auch einige Teile für die Automobil-Industrie hergestellt.
Herr Yubamoto hat mich um Unterstützung am Stand für die ersten drei Tage der Messe gebeten, es war eine sehr schöne Erfahrung und ich freue mich, hier nun so ein wenig mehr über diese Welt berichten zu können.

Das aktuellste Modell aus der MKS-Produktreihe: das „Pretzel“-Pedal, ein Heavy-Duty Allrounder mit viel Grip. Auch in Silber erhältlich

Kentaro Yubamoto, Managing Director von MKS (Bildmitte) am Stand auf der Eurobike. Rechts im Bild Nori-San von InterJet. Links: Nitto Managing Director Takahisa Yoshikawa


Die mittlere Box in der Reihe war besetzt von Nitto Handlebarworks. Nitto ist der fast schon legendäre Hersteller der weltweit schönsten und hochwertigsten Lenker für Fahrräder. Meine subjektive Meinung, die aber von vielen geteilt wird 😉
Mit im Sortiment sind noch Vorbauten, Sattelstützen, verschiedene Gepäckträger und Kleinteile wie Lenker-Endstopfen oder Stemcaps. Gefertigt wird in Aluminium, gehärtetem Aluminium oder Chromstahl im Werk in der Region Fukushima. Büro und Vertrieb befinden sich jedoch noch in Tokyo, im Randgebiet, etwa 40 Kilometer entfernt von MKS. Da in der Vergangenheit die meisten der Angestellten aus Fukushima kamen, und man das ursprüngliche Werk in Tokyo aus Modernisierungsgründen neu errichten hätte müssen, wurde die neue Produktionsstätte gleich am aktuellen Standort Fukushima erbaut. Beschäftigt sind an beiden Orten zusammen nur etwa 45 Mitarbeiter. Nitto kann seit diesem Jahr auf eine einhundert-jährige Firmengeschichte zurückblicken: „Gegründet wurde Nitto 1923 von Masae Yoshikawa, der Großmutter meines Vaters“ sagt Takahisa Yoshikawa, der derzeitige Managing Director, auf Japanisch. Sein Vater Akira Yoshikawa zeichnet verantwortlich für die extrem hohen Standards der Nitto-Produkte und hat in der Vergangenheit auch eng mit solchen Größen aus der Fahrradwelt wie Tom Ritchey oder Gary Fisher zusammengearbeitet. 

Takahisa Yoshikawa, derzeitiger Managing Director von Nitto.

Lenker leider nur im Ausschnitt zu sehen, dafür aber die tolle, lange Version des „Pearl“ -Vorbaus. 


Tange-Seiki ging vor etwa fünfzig Jahren aus einer Trennung vom ursprünglichen Mutterkonzern Tange hervor, konnte ich von Ace Tange, dem Senior Managing Director erfahren, die genauen Umstände sind ihm jedoch auch nicht bekannt.
Tange ist ja noch immer als Hersteller hervorragender Stahlrohre für den Rahmen- und Gabelbau bekannt, Tange-Seiki produziert aber Innenlager und Steuersätze in klassisch schöner Optik und toller Qualität zu einem guten Preis. Beide Unternehmen lassen mittlerweile in Taiwan fertigen, der Sitz des Hauptunternehmens von Tange-Seiki ist aber immer noch in Sakai, in der Präfektur Osaka in Japan.

Ace Tange, Senior Managing Director von Tange-Seiki

Links vorne ein Steuersatz für BMX, dahinter drei Varianten des „Falcon“ Steuersatzes in Stahl, Aluminium und poliertem Aluminium. In der Mitte hinten, eine aktuelle Neuauflage eines klassischen Vierkant-Innenlagers – das könnte die Rettung für so manches Restaurations-Projekt sein!


Und schließlich noch Ostrich-Bags: Taschen für das Fahrrad – entweder um Dinge mit dem Rad zu transportieren, oder um das ganze Rad darin unterzubringen um „Rinko“ zu machen. So nennen die Japaner das Reisen mit dem Zug, wenn man ein Fahrrad als Gepäckstück mitnimmt um dann damit an anderer Stelle eine Tour zu unternehmen. Tetsuya Imi, der derzeitige Leiter des Unternehmens erzählt mir, dass sein Vater es vor 55 Jahren gegründet hat. „Es ist so alt wie ich!“ sagt er fröhlich. Die Taschen von Ostrich erinnern an die, die an französischen „Randonneur“ Rädern hängen, es gibt sie aber auch in moderneren Stoffvarianten und ebenso Modelle, welche eher in die Richtung „Bikepacking“ gehen. Herr Imi hat sein eigenes Rad als Anschaungsobjekt mitgebracht, vor der Eurobike ist er damit rund um Mainz einige Touren gefahren und war ganz begeistert von derLandschaft.Wieviele Mitarbeiter das Unternehmen beschäftigt habe ich nicht herausgefunden, der Firmensitz ist jedoch ebenso im Bezirk Tokyo. 

Tetsuya Imi, Chef von Ostrich, mit seinen Taschen und seinem Fahrrad.

Eine super Truppe! Von links nach rechts: Tange-Seiki Mitarbeiter aus Taiwan, dessen Namen ich leider nicht mehr weiß, Ace Tange, Tetsuya Imi, Takahisa Yoshikawa, Kentaro Yubamoto, ich, Nori-San